Die große Brennnessel –
Kaum eine Pflanze ist so bekannt – und gleichzeitig so unterschätzt – wie die Große Brennnessel (Urtica dioica).
Wer sich einmal an ihr verbrannt hat, erkennt sie sofort wieder. Doch hinter diesem Schmerz verbirgt sich eine Pflanze, die den Menschen seit Jahrtausenden begleitet – als Heilkraut, Faserpflanze und Nahrungsmittel.

Eine Pflanze, die unsere Nähe sucht
Die Brennnessel ist eine typische Kulturfolgerin. Sie wächst dort, wo wir Menschen den Boden beeinflusst haben – an Wegrändern, Schutthalden, Kompoststellen oder Hofplätzen.
Diese Standorte sind meist stickstoffreich, was der Pflanze zugutekommt.
Ein ganzes „Brennnesselfeld“ kann übrigens aus nur einer einzigen Pflanze bestehen. Unterirdische Rhizome treiben neue Triebe aus und bilden dichte Bestände. Diese kräftigen Wurzelausläufer lassen sich vielseitig nutzen – besonders für Auszüge und Tinkturen.

Warum die Brennnessel brennt
Das charakteristische Brennen entsteht durch feine Brennhaare, deren Zellwände mit Kieselsäure verstärkt sind. An ihrer Spitze befindet sich eine Sollbruchstelle.
Bei Berührung bricht diese ab – eine scharfkantige Bruchstelle entsteht. Nun wird der Zellsaft Mix aus Ameisensäure, Histamin, Acetylcholin und Serotonin mit Druck in die Haut injeziert.
Das verursacht das bekannte Brennen, fördert aber zugleich die Durchblutung. Früher machte man sich diesen Effekt zunutze: Bei der sogenannten Urtifikation wurde die Haut mit frischen Brennnesseln ausgeschlagen, um Gelenke zu wärmen oder Schmerzen zu lindern.
In einer Studie zeigte sich, dass die Reaktion der Haut nicht nur durch das injizierte Histamin entsteht. Die Forscher fanden heraus, dass die Haut danach mehr Mastzellen bildet – das sind Immunzellen, die ebenfalls Histamin freisetzen.
Darum hält das Brennen oft mehrere Stunden an.
Vermutlich enthält die Brennflüssigkeit außerdem noch weitere Stoffe, die direkt auf die Nerven wirken – ein cleverer Schutz der Pflanze gegen Fressfeinde.(2)
Männlich, weiblich – und voller Leben
Die Große Brennnessel ist zweihäusig, das heißt, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Nur die weiblichen Brennnesseln tragen Samen, die in der Volksheilkunde als Stärkungsmittel gelten. In einem eigenen Beitrag: Brennnesselsamen gesundes Superfood gehe ich näher auf den Mythos der weiblichen und männlichen Brennnesselsamen ein, dort erfährst du warum sie als Superfood gelten und ich stelle einige Rezepte vor in denen Brennnesselsamen die Hauptrolle spielen.
Die männlichen Pflanzen bilden dagegen den Pollen für die Bestäubung – ein fein abgestimmtes Zusammenspiel.
Von der Faser zur Kleidung
Bevor Baumwolle nach Europa kam, war die Brennnessel eine der wichtigsten Faserpflanzen. Aus ihren Stängeln wurde Garn gesponnen, das robust, aber erstaunlich weich war.
Das Märchen Die sechs Schwäne/Raben erinnert noch heute daran: Dort webt die Heldin Hemden aus Brennnesseln, um ihre verzauberten Brüder zu erlösen.
Auch sprachlich hat diese Pflanze Spuren hinterlassen – „Nessel“ ist verwandt mit „Netz“ und „Nest“ sowie Nähen. Da die Wörter verwand sind kann man davon ausgehen, dass die Brennnessel die ursprüngliche Quelle für diese Fertigkeiten war.
Wenn dich die handwerkliche Seite interessiert: Im Beitrag „Brennnesselfasern einfach selber machen“ zeige ich, wie du aus der Pflanze eine Schnur oder Faser herstellen kannst.

Brennnessel Inhaltsstoffe und gesundheitliche Wirkung
Die Große Brennnessel (Urtica dioica) und ihre kleinere Schwester (Urtica urens) gehören zu den arzneilich wertvollsten Wildpflanzen Europas. Beide werden seit Jahrhunderten in der Volksheilkunde verwendet – heute sind ihre Wirkungen auch wissenschaftlich bestätigt.
Wenn du mehr über die Inhaltsstoffe der Brennnessel wissen möchtest, lohnt es sich, die Pflanze in ihre Teile zu zerlegen – denn in der Heilkunde werden Blätter, Samen und Wurzeln ganz unterschiedlich genutzt und enthalten jeweils andere Wirkstoffe.
Blätter und Kraut (Urticae folium / herba):
– Flavonoide wie Quercetin und Kämpferol: antioxidativ, gefäßschützend und leicht entzündungshemmend.
– Kaffeesäureester (v. a. Chlorogensäure): unterstützen die Harnausscheidung.
– Mineralstoffe (Kalium, Eisen, Calcium, Magnesium, Kieselsäure): fördern den Stoffwechsel und stärken Haut, Haare und Nägel.
– Vitamine (C, K und B-Vitamine): tragen zur Abwehrkraft bei.
– Gerbstoffe: wirken adstringierend und hautberuhigend.
Wurzeln (Urticae radix):
Die Wurzel der Brennnessel enthält Phytosterole, Lignane, Lektine und Polysaccharide.
– Phytosterole sind pflanzliche Sterine, die hormonähnlich wirken und helfen können, hormonelle Prozesse auszugleichen – etwa im Prostatagewebe oder an der Kopfhaut.
– Lignane wirken leicht hormonregulierend und antioxidativ; sie schützen Zellen und Gewebe vor Stress.
– Lektine und Polysaccharide unterstützen das Immunsystem, wirken mild entzündungshemmend und beruhigend auf Schleimhäute und Haut.
Diese Kombination macht die Brennnesselwurzel zu einem vielseitigen Bestandteil der Hausapotheke – besonders bei Prostatabeschwerden, Harnwegsproblemen und zur Pflege von Haaren und Kopfhaut.
Brennnessel Wirkung auf Stoffwechsel, Gelenke und Harnwege
Die Heilwirkung der Brennnessel beruht nicht darauf, dass sie irgendwelche Schlacken aus dem Körper entfernt. Die Brennnessel wirkt, weil ihre Inhaltsstoffe den Stoffwechsel anregen, die Harnausscheidung fördern und Entzündungen günstig beeinflussen.
Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe je nach Pflanzenteil unterschiedlich ist – Blätter, Samen und Wurzeln enthalten verschiedene Stoffgruppen und entfalten dadurch auch unterschiedliche Heilwirkung auf den Körper.

Das ist die Wirkung von Brennnesselblätter und -kraut:
- fördern die Ausscheidung über die Nieren,
- regen den Stoffwechsel und die Entgiftung an,
- können rheumatische Beschwerden und leichte Arthrose lindern,
- unterstützen die Durchspülung der Harnwege und beugen Nierengrieß vor.
Diese Effekte sind auf die Kombination aus Flavonoiden, Kaliumsalzen und organischen Säuren zurückzuführen.
Das HMPC, die ESCOP und die Kommission E haben diese Anwendungen als medizinisch anerkannt eingestuft. Traditionell wird Brennnesselkraut außerdem bei Frühjahrsmüdigkeit, Hautunreinheiten und fettiger Kopfhaut verwendet.
Brennnesselwurzel:
Die Wurzel hat eine völlig andere Zusammensetzung – und damit auch eine andere Wirkung.
Sie wird zur unterstützenden Behandlung von Prostatabeschwerden eingesetzt. Die enthaltenen Phytosterole und Lignane wirken abschwellend und hormonmodulierend, ohne in den Hormonhaushalt direkt einzugreifen.
Viele Männer berichten von einer Verbesserung der Blasenentleerung und einer Verringerung des Harndrangs. Diese Anwendung ist wissenschaftlich gut untersucht und durch ESCOP und Kommission E bestätigt.
Brennnesselsamen:
Sie gelten in der Volksheilkunde als aufbauend und kräftigend.
Durch ihren hohen Gehalt an Eiweiß, Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren werden sie traditionell zur Stärkung in Erschöpfungsphasen oder nach Krankheiten genutzt – ein altes, aber wirksames Hausmittel.

Brennnessel und Histaminintoleranz
Die Brennnessel enthält von Natur aus Histamin – genau den Stoff, der beim Kontakt mit den Brennhaaren das bekannte Brennen und Jucken verursacht.
Auch in getrockneten Pflanzenteilen können noch kleine Mengen davon enthalten sein.
Menschen mit Histaminintoleranz reagieren manchmal empfindlich auf histaminreiche Pflanzen oder solche, die die Freisetzung von Histamin anregen.
Darum kann es vorkommen, dass Brennnesseltee oder Nahrungsergänzungen bei empfindlichen Personen Kopfschmerzen, Hautrötungen oder Unruhe auslösen.
Gleichzeitig wird Brennnessel in der Pflanzenheilkunde auch bei Allergien eingesetzt, weil sie entzündungshemmend wirkt und den Abbau von Histamin im Körper unterstützen kann.
Das klingt widersprüchlich, zeigt aber, dass Pflanzen sehr komplex wirken – und jeder Körper anders reagiert.
Wenn du weißt, dass du auf Histamin empfindlich reagierst, taste dich am besten vorsichtig und in kleinen Mengen an Brennnesselprodukte heran.
Warum ist die Brennnessel so gesund
Die Brennnessel gilt seit Jahrhunderten als Heil- und Nahrungsmittel – und moderne Forschung bestätigt heute vieles, was früher aus Erfahrung weitergegeben wurde.
Sie enthält eine beeindruckende Vielfalt an Vitaminen, Mineralstoffen und bioaktiven Pflanzenstoffen, die gemeinsam den Körper stärken können.
Ihre Blätter liefern
- Vitamin C,
- Vitamin K und
- B-Vitamine,
- außerdem Eisen,
- Kalium,
- Calcium und
- Magnesium –
Nährstoffe, die den Stoffwechsel anregen und zur Bildung roter Blutkörperchen beitragen.
Die Kieselsäure stärkt Haut, Haare und Nägel, während Flavonoide und Carotinoide entzündungshemmend wirken.
Ihre Wurzeln enthalten Phytosterole und Lignane, die hormonelle Vorgänge regulieren können, und die Samen sind reich an Eiweiß, Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren, die Kraft spenden und den Körper aufbauen.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit (Urtica dioica L., 2023) bestätigt, dass die Brennnessel zu den ernährungsphysiologisch wertvollsten Wildpflanzen Europas zählt.
Forscher:innen fanden in den Blättern Verbindungen wie Rutin, Kämpferol und ungesättigte Fettsäuren, die entzündungshemmend und antioxidativ wirken können.
Die Autor:innen sehen in der Brennnessel sogar ein mögliches „Nutraceutical“ – also ein Lebensmittel mit medizinischem Zusatznutzen.(1)
Kurz gesagt: Die Brennnessel ist so gesund, weil sie von der Wurzel bis zum Samen fast alles enthält, was unseren Körper stärkt und ins Gleichgewicht bringt.

Brennnesselrezepte – die Pflanze praktisch nutzen
Kaum eine Pflanze lässt sich so vielseitig verwenden.
Ob als Tee, Tinktur, Öl, Suppe oder sogar als Faser – jede Zubereitung bringt andere Inhaltsstoffe zur Geltung. Falls du nach vielseitigen und erprobten Rezepten suchst um deine Ernährung mit der Brennnessel aufzuwerten wirst du in meinem Brennnesselrezepte PDF(mit Erklärvideos) fündig!
Hier findest du einen kleinen Überblick und die passenden Anleitungen auf meiner Seite:
Brennnesselsuppe & Wildgemüse
Als junges Frühlingsgemüse ist Brennnessel reich an Eiweiß und Vitaminen.
In der Küche ersetzt sie Spinat, schmeckt mild-nussig und bringt Frische auf den Teller.
👉 Brennnesselsuppe – Wildgemüse-Rezept & Frühjahrskraft aus der Natur
Brennnesselsamen
Sie galten früher als „Kraftnahrung“ für Mensch und Tier.
Reich an Eiweiß, Vitaminen und ungesättigten Fettsäuren wirken sie vitalisierend und aufbauend. In diesem Beitrag gehe ich auf ihre gesundheitlichen Vorteile ein und teile spannende Rezepte mit dir:
👉 Brennnesselsamen – Energie aus der Pflanze
Brennnesseltinktur
Aus der Brennnessel lässt sich nicht nur Tee oder Suppe zubereiten – auch eine Tinktur ist möglich. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Unterschiede: Eine Tinktur aus dem Kraut unterstützt Stoffwechsel und Ausscheidung, während die Wurzeltinktur hormonelle Prozesse beeinflussen und das Haarwachstum fördern kann. Beide werden unterschiedlich hergestellt, da sich verschiedene Pflanzenteile und Inhaltsstoffe in Alkohol verschieden gut lösen – und weil das so spannend ist habe ich diesem Thema einen eignen Beitrag gewidmet:
👉 Brennnesseltinktur einfach selber machen
Mehr Brennnesselwissen & Rezepte im PDF
Wenn du Brennnesseln nicht nur als Heilkraut, sondern auch als vielseitige Zutat in der Küche entdecken möchtest, findest du in meinem Brennnesselrezepte-PDF mit Erklärvideos über 30 bewährte Rezepte – von Tee und Tinktur bis zu Suppe, grüner Paste und Öl. So nutzt du die Kraft der Brennnessel im Alltag – ganz einfach und natürlich.
👉 Hier geht’s zum PDF: Brennnesselrezepte PDF(mit Erklärvideos)
Sicherheitshinnweis:
Auch wenn die Brennnessel eine bewährte Heilpflanze ist, sollte sie mit Umsicht verwendet werden.
Von innerlichen Anwendungen wird abgeraten bei eingeschränkter Nieren- oder Herzfunktion, da es durch die harntreibende Wirkung zu einer zusätzlichen Belastung kommen kann.
Menschen mit Allergien auf Brennnesseln oder empfindlicher Haut sollten bei äußerlicher Anwendung vorsichtig sein, da es zu Reizungen oder Hautreaktionen kommen kann.
Wie bei allen Heilpflanzen gilt: Meine Beiträge dienen der Information und Wissensvermittlung und ersetzen keine ärztliche oder pharmazeutische Beratung.
Quellen:
(1) Devkota HP, Paudel KR, Khanal S, Baral A, Panth N, Adhikari-Devkota A, Jha NK, Das N, Singh SK, Chellappan DK, Dua K, Hansbro PM. Stinging Nettle (Urtica dioica L.): Nutritional Composition, Bioactive Compounds, and Food Functional Properties. Molecules. 2022 Aug 16;27(16):5219. doi: 10.3390/molecules27165219. PMID: 36014458; PMCID: PMC9413031.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36014458/
(2) Cummings AJ, Olsen M. Mechanism of action of stinging nettles. Wilderness Environ Med. 2011 Jun;22(2):136-9. doi: 10.1016/j.wem.2011.01.001. Epub 2011 Jan 6. PMID: 21396858.
Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21396858/


